Verfolgung von Sexualdelikten

Seit Ende 2016 ist der Straftatbestand der sexuellen Belästigung nach § 184i StGB neu ins Strafgesetzbuch aufgenommen. Danach macht sich strafbar, wer eine andere Person in sexuell bestimmter Weise körperlich berührt und dadurch belästigt. Die Zahl der Ermittlungsverfahren steigt seither deutlich. Während 2015 bundesweit noch in etwa 50 000 Fällen ermittelt wurde, waren es 2019 bereits 82 000 Fälle. Zu Verurteilungen kommt es jedoch lediglich in nur rund 10 Prozent der Fälle. Bundesdurchschnittlich werden 66 Prozent aller Ermittlungsverfahren eingestellt, in manchen Bundesländern sogar weit mehr als 70 Prozent (https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2020/10/berlin-brandenburg-sexualstraftaten-verfolgung-eingestellte-prozesse.html). Diese Zahlen sind vor dem Hintergrund einer von Fachleuten vermuteten etwa fünfmal so hohen Anzahl an nicht-angezeigten Sexualstraftaten (sog. Dunkelziffer), umso schwerwiegender.

Kleine Anfrage (Drucksache 19/25486, vom 21.12.2020)

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Anzeigen bzw. Ermittlungsverfahren zu sexueller Belästigung wurden nach Kenntnis der Bundesregierung in den letzten Jahren seit 2013 und unter der Berücksichtigung des 2016 eingeführten Straftatbestandes § 184i StGB eröffnet (bitte nach Jahren und Bundesländern aufschlüsseln)?

2. Wie viele Ermittlungsverfahren zu sexueller Belästigung wurden nach Kenntnis der Bundesregierung in den letzten Jahren seit 2013 und unter der Berücksichtigung des 2016 eingeführten Straftatbestandes § 184i StGB nach 170 I,II, 153, 153a oder 154 stopp eingestellt (bitte nach Jahren, Bundesländern und Grund der Einstellung (170 I,II, 153, 153a oder 154 StPO) aufschlüsseln)?

3. Wie viele Anklagen und Strafbefehle zu sexueller Belästigung gab es nach Kenntnis der Bundesregierung in den letzten Jahren seit 2013 und unter der Berücksichtigung des 2016 eingeführten Straftatbestandes § 184i StGB (bitte nach Jahren, Bundesländern sowie Anklagen und Strafbefehlen aufschlüsseln)?

4. Wie viele Verurteilungen zu sexueller Belästigung gab es nach Kenntnis der Bundesregierung in den letzten Jahren seit 2013 und unter der Berücksichtigung des 2016 eingeführten Straftatbestandes § 184i StGB (bitte nach Jahren, Bundesländern sowie Art der Verurteilung (Geld- und Freiheitsstrafen) aufschlüsseln)?

5. Hält die Bundesregierung die Gesetzesänderung zur sexuellen Belästigung (§ 184i StGB) vor dem Hintergrund dieser Zahlen sowie einer Einstellungsquote von bundesdurchschnittlich 66 Prozent der angezeigten Fälle für wirksam? Wenn ja, bitte begründen. Wenn nein, inwiefern sieht die Bundesregierung weiteren Handlungsbedarf und was unternimmt sie, um gegen sexuelle Belästigung vorzugehen?

6. Wie viele Anzeigen sexueller Belästigung (§ 184i StGB) werden von Betroffenen nach Kenntnis der Bundesregierung jährlich bundesweit zurückgezogen?

7. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Tatorte der zur An-zeige gebrachten Straftatbestände der sexuellen Belästigung (§ 184i StGB) (Arbeitsplatz, Arzt, privates Umfeld)?

8. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Betroffenen, die einen Straftatbestand der sexuellen Belästigung (§ 184i StGB) zur Anzeige gebracht haben (Geschlecht, Alter)?

9. Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass in bundesweit 66 Prozent aller zur Anzeige gebrachten Fälle von sexueller Belästigung das Ermittlungsverfahren eingestellt wird?

10. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, wie andere Akteure, beispielsweise Frauenhäuser, der Runde Tisch „Gewalt gegen Frau-en“ oder Vertreter der psychosozialen Prozessbegleitung, diese Tatsache bewerten? Welche Schlüsse zieht sie daraus?

11. Welche Folgen ergeben sich nach Kenntnis der Bundesregierung für die betroffenen Frauen, wenn im Zweifelsfall zugunsten einer Geldzahlung kein Urteil ergeht? Decken sich diese Erkenntnisse mit dem, was mit dem Gesetz beabsichtigt war?

12. Welche Maßnahmen zur Schulung und Fortbildung von Polizisten, Staatsanwälten und Richtern im Kontext von Delikten sexueller Belästigung nach § 184i StGB sowie für den Umgang mit Betroffenen wurden bisher durchgeführt?

13. Welche weiteren Maßnahmen hat die Bundesregierung gemeinsam mit den Ländern nach der Aufnahme des Straftatbestandes der sexuellen Belästigung (§ 184i StGB) ins Strafgesetzbuch unternommen, um Polizisten, Staatsanwälte und Richter zielgerichtet zu Delikten und dem Umgang mit Betroffenen sexueller Belästigung zu schulen?

14. Ist die Bundesregierung der Forderung der Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen und -minister, -senatorinnen und -senatoren der Länder vom 9. November 2017 bereits nachgekommen, die Paragraphen §§ 177, 184i, 184j StGB im Hinblick auf die gerichtliche Auslegungs- und Anwendungspraxis sowie die Verurteilungszahlen zu evaluieren? Wenn ja, was sind die Ergebnisse der Evaluation? Wenn nein, warum nicht?

15. Wie viele Schwerpunkteinheiten, die auf Sexualdelikte spezialisiert sind (wie etwa Berlins gesondertes Dezernat beim Landeskriminalamt und die Schwerpunkteinheit der Staatsanwaltschaft), existieren nach Kenntnis der Bundesregierung bei den Landeskriminalämtern und den Staatsanwaltschaften der einzelnen Länder (bitte nach Titel, Stadt und Bundesland auf-schlüsseln)?

16. Wo ist nach Kenntnis der Bundesregierung eine Videovernehmung von Betroffenen sexueller Belästigung möglich, um ihnen Mehrfachaussagen ersparen zu können (bitte nach staatsanwaltlicher-, polizeilicher- oder sonstiger Stelle, Stadt und Bundesland aufschlüsseln)?

17. Wo wird nach Kenntnis der Bundesregierung Betroffenen sexueller Belästigung eine psychosoziale Prozessbegleitung zur Verfügung gestellt (bitte nach staatsanwaltlicher-, polizeilicher- oder sonstiger Stelle, Stadt und Bundesland aufschlüsseln)?

18. Inwiefern und mit welchem Ergebnis hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung der Runde Tisch „Gewalt gegen Frauen“ mit der Anzahl von Einstellungen der Ermittlungsverfahren bei Fällen von sexueller Belästigung beschäftigt?

19. Welche Aufklärungs- und Präventionskampagnen zum Thema sexuelle Belästigung hat die Bundesregierung durchgeführt?

20. Hat die Bundesregierung Erkenntnisse über ein etwaiges Dunkelfeld von Straftaten nach § 184i StGB? Wenn ja, in welcher Größenordnung (Anzahl der Fälle) und auf welche Quellen stützt sie sich hierbei?

21. Wie bewertet die Bundesregierung die Größe des Dunkelfeldes für den Straftatbestand der sexuellen Belästigung (§ 184i StGB) und welchen Handlungsbedarf leitet sie daraus ab?

22. Zieht die Bundesregierung die Durchführung einer Studie zum Dunkelfeld des Straftatbestandes der sexuellen Belästigung (§ 184i StGB) in Erwägung?

Hier sind die Originalschriftstücke zum Download

Kleine Anfrage-1925486-Sexualstraftaten

Antwort–1925486-Sexualstraftaten