FDP-Abgeordnete Bauer lehnt Fahrverbote für Biker ab

Passau. Der Bundesrat möchte das Motorradfahren an Sonn- und Feiertagen verbieten, um den Lärmschutz zu verbessern. Die Landshuter Bundestagsabgeordnete Nicole Bauer fürchtet deswegen eine “Verbotskultur”. Mit Sorge blickt die frauenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion zudem auf die Türkei. Dort steht eine Konvention, die auch Frauenrechte schützen soll, vor dem Aus.

Frau Bauer, eine Bundesratsinitiative will das Motorradfahren an Sonn- und Feiertagen einschränken. Eine gute Idee?

Nicole Bauer: Das ist ein Thema, das viele Menschen bewegt. Das hat auch die spontane Samstagsfahrt Anfang Juli nach München gezeigt, bei der sich über 20000 Motorradfahrer in der Landeshauptstadt befunden haben. Ich persönlich halte sehr wenig von dieser Idee. Weil ich nicht denke, dass irgendjemand das Recht hat, so sehr in die persönliche Freiheit der Menschen einzugreifen. Die meisten Motorradfahrer sind berufstätig. Wann bleibt ihnen da die Zeit, ihr Hobby auszuüben: eben an Sonn- und Feiertagen. Ich denke nicht, dass das der richtige Weg ist, um Lärm auf vielbefahrenen Strecken zu bekämpfen. Das ist eine Diffamie aller Motorradfahrer.

Wie Sie schon gesagt haben, argumentiert der Bundesrat mit dem Lärmschutz. Sehen Sie hier noch andere Möglichkeiten als ein Verbot?

Bauer: Wir müssen uns die Strecken anschauen: Um welche geht es und inwieweit wurde dort schon zwischen Anwohnern und Motorradfahrern vermittelt? Das wäre dann die Aufgabe der örtlichen Landräte und Landratsämter. Auf der anderen Seite müssen wir kontrollieren, was an den Motorrädern angebaut wird und inwiefern das zulässig ist. Grundsätzlich ist bei dem Thema aber die Frage zu stellen: Warum sollten Motorräder, die eine Straßenzulassung haben, jetzt nicht mehr fahren dürfen? Dann müssen wir bald auch alle anderen Verkehrsteilnehmer in den Blick nehmen. Und dann sind wir auch ganz schnell bei Sportwagen.

Sie hatten eingangs die Aktion von 20000 Motorradfahrern in München erwähnt. Nach dem Verbot ihrer Demo fuhren diese trotzdem auf dem Mittleren Ring. Schmälern solche Aktionen nicht sogar die Akzeptanz in der Bevölkerung für Biker?

Bauer: Ich glaube nicht. Denn es hat ja keine Demo stattgefunden, sondern eine spontane Versammlung. Vielen ist mittlerweile bewusst geworden, was das für eine Einschränkung ist: Jetzt ist es das Motorradfahrverbot, als nächstes wird es verboten, einen Burger zu essen. Das ist ein Endlosthema und eine Verbotskultur. Man beginnt mit einem Thema und geht dann Stück für Stück weiter durch die Gesellschaft anstatt zu überlegen: Was könnte denn eine wirksame Lösung sein? Darauf sollte das Hauptaugenmerk liegen. Man darf auch nicht vergessen: 7,8 Prozent der Menschen in Bayern sind Motorradfahrer. Da muss doch auch die Staatsregierung ein Interesse daran haben, eine gemeinsame, verträgliche Lösung zu finden. Die meisten Motorradfahrer sind nicht diejenigen, die Lärm verursachen. Es gibt einige wenige schwarze Schafe, anhand derer dann Politik gemacht wird.

Anderes Thema: In der Türkei gehen die Menschen aktuell für Frauenrechte auf die Straße. In Deutschland starben 2019 insgesamt 111 Frauen durch die Hand ihres Partners oder Ex-Partners. Wo bleibt der Aufschrei hierzulande?

Bauer: Es gab europaweit einen relativ großen Aufschrei gegen Gewalt an Frauen in den sozialen Medien, auch wenn hierzulande keine Demonstrationen oder Ähnliches stattgefunden haben. In der Türkei denkt Präsident Erdogan über einen Austritt aus der Istanbul-Konvention nach, einem Vertrag verschiedener Nationen, der sehr viele richtige Punkte beinhaltet, um Gewalt gegen Frauen zu verhindern, und der sich gegen häusliche Gewalt jeder Art wendet. Denn eigentlich kennt die Istanbul-Konvention kein Geschlecht. Sie wendet sich gegen Gewalt, egal ob sich diese gegen Frauen, Männer, Kinder oder Jugendliche richtet. Aber auch Deutschland kommt hier seinen Verpflichtungen aus meiner Sicht nicht ausreichend nach.

Inwiefern?

Bauer: Auch in Deutschland fehlen immer noch 14500 Frauenhausplätze. Für mich ist das ein Punkt, wo wir ansetzen müssen. Deshalb habe ich mit meiner Fraktion bereits mehrere Anträge dazu im Bundestag eingebracht. Es gibt außerdem nahezu keine Männerhäuser oder andere Stellen für gewaltbetroffene Männer. Auch in der Prävention und Täterarbeit haben wir sehr wenige Angebote. Zudem fehlt ein flächendeckendes, deutschlandweites Monitoring. Der Bundestag hat zwar erst vor ein paar Monaten beschlossen, dass man eine solche Monitoringstelle haben möchte, aber es mangelt weiterhin an der Umsetzung.

(Quelle: PNP-Interview vom 21.8.2020)